Meine Mutter hatte, als es darum ging, zum ersten Mal Monsieur de Norpois zum Abendessen zu Gast zu haben, ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass Professor Cottard auf Reisen sei und dass sie selbst jeglichen Umgang mit Swann abgebrochen habe, denn der eine wie der andere hätte sicherlich den früheren Botschafter interessiert, doch mein Vater antwortete, dass zwar ein so bedeutender Zeitgenosse, ein so ausgezeichneter Wissenschaftler wie Cottard niemals fehl am Platz sei bei einem Diner, Swann dagegen, mit seiner Anmaßung, mit seiner Gewohnheit, überall die Kunde noch von seinen unbedeutendsten Beziehungen auszuposaunen, ein ordinärer Aufschneider, den der Marquis von Norpois zweifellos, in seinen Worten, »anrüchig« finden würde. Diese Antwort meines Vaters bedarf jedoch einiger Worte der Erläuterung, da sich manch einer vielleicht eines ziemlich mittelmäßigen Cottard entsinnen wird und eines Swann, der die Bescheidenheit und Diskretion in gesellschaftlichen Dingen bis zur erlesensten Feinfühligkeit trieb. Doch was diesen letzteren anbetrifft, so hatte in der Zwischenzeit der frühere Freund meiner Eltern dem »Swann junior« wie auch dem Swann des Jockey-Clubs eine neue Persönlichkeit hinzugefügt (die nicht die letzte sein sollte), nämlich die eines Gatten von Odette. Indem er sein Gespür, seine Bestrebungen und die Umsicht, die er immer besessen hatte, an die bescheidenen Erwartungen dieser Frau anpasste, war es ihm gelungen, sich einen neuen Status weit unterhalb des früheren zu schaffen, der der Gefährtin, die ihn mit ihm teilen sollte, angemessen war. Nun, in dieser Position zeigte er sich als ein anderer Mann. Da dieses ein zweites Leben war (in dem er auch weiterhin, allein, seine persönlichen Freunde besuchte, denen er Odette nicht aufdrängen wollte, solange sie ihn nicht von sich aus darum baten, sie kennenlernen zu dürfen), das er gemeinsam mit seiner Frau im Lebenskreis neuer Mitmenschen begann, hätte man noch verstanden, wenn er sich, um deren Wert und folglich auch die Freuden der Eigenliebe einschätzen zu können, die ihm zuteilwerden würden, wenn er sie empfinge, als Ausgangspunkt nicht unbedingt der hervorragendsten Leute bedient hätte, die vor seiner Heirat seinen Gesellschaftskreis ausmachten, sondern der vorherigen Bekanntschaften Odettes.

Aber selbst wenn man wusste, dass es grobschlächtige Beamte und anrüchige Frauen waren, die Zierde von Ministerbällen, mit denen er sich in Verbindung zu bringen suchte, so war man doch erstaunt, ihn, der früher und sogar auch noch jetzt so formvollendet eine Einladung aus Twickenham oder dem Buckingham Palace herunterspielte, nunmehr lauthals verkünden zu hören, dass die Frau eines Staatsuntersekretärs gekommen war, um Madame Swann einen Besuch abzustatten. Man wird vielleicht als Erklärung anführen, dass die Schlichtheit des vornehmen Swann bei diesem nur eine ausgefeiltere Form von Eitelkeit gewesen sei und dass, wie so manche Israeliten, der frühere Freund meiner Eltern nur abwechselnd die aufeinanderfolgenden Stadien vorgeführt haben mochte, durch die die Angehörigen seiner Rasse hindurchgegangen waren, von einfältigstem Snobismus und gröbster Unmanier zu geschliffenster Höflichkeit. Doch der Hauptgrund, und das ist auf die Menschheit generell anwendbar, war dieser, dass unsere Tugenden selbst keine unabhängige, frei schwebende Angelegenheit sind, deren dauerhafte Verfügbarkeit wir uns sichern könnten; sie verbinden sich schließlich in unserem Geist so innig mit den Handlungen, bei deren Ausübung wir es uns zur Pflicht gemacht haben, sie zu beachten, dass, wenn eine Tätigkeit ganz anderer Art an uns herantritt, diese uns völlig unvorbereitet trifft und wir gar nicht auf den Gedanken verfallen, dass sie die Anwendung eben dieser Tugenden vertragen könnte. Swann, der sich um diese neuen Beziehungen eifrig bemühte und sie mit Stolz erwähnte, glich darin jenen bescheidenen oder auch großzügigen bedeutenden Künstlern, die sich zu ihrem Lebensende hin mit Kochkunst oder Gärtnerei beschäftigen und eine naive Befriedigung aus dem Lob ziehen, das man ihren Gängen oder Gärten spendet, bei denen sie eben die Kritik nicht ertragen, die sie mit Gelassenheit hinnehmen, wenn es sich um ihre Hauptwerke handelt; oder die eines ihrer Gemälde für ein Nichts weggeben, aber dann nur missmutig vierzig Sous beim Domino verlieren können.