Petitionsplattformen: Welche Plattform für welche Kampagne?
Auf Petitionsplattformen können NGOs, Vereine und Initiativen Online-Petitionen starten und Unterschriften sammeln. Welche Plattform eignet sich für welche Kampagne? Eine Übersicht zu Anbietern für Deutschland, den EU-Raum und für internationale Kampagnen.
Im 2. Teil folgen Fundraising- und Crowdfunding-Plattformen.
Warum überhaupt eine Kampagnenplattform?
Je mehr Leute man erreichen will, desto eher braucht es eine externe Plattform. Die nimmt einem die Verwaltung der User-Daten ab und bietet technische Funktionen, die man sonst auf der eigenen Website selbst gestalten müsste.
Vorteile von Petitionsplattformen
- Adress-Management
- Automatisierte Antworten („Danke!“, „Jetzt teilen!“)
- Fortschrittsanzeige
- Mail-to-target-Funktion („Schreib dem Minister!“)
- Mehrsprachigkeit
- Analyse-Tools (Öffnungsrate, Lesedauer, Klick-Verhalten)
- Server-Entlastung
Wer neue Zielgruppen außerhalb des eigenen Verteilers erreichen will, kommt um die Beschäftigung mit Kampagnenplattformen kaum herum. Die folgende Übersicht soll beim Durchblick helfen. Z.B. für kleine NGOs, die ihre Website bisher hauptsächlich für Geldgeber und Partner betreiben und nun erstmals eine Kampagne starten wollen.
Wo soll Eure Kampagne laufen?
Die erste Frage ist stets: Wo soll die Petition laufen? Nur im eigenen Land, im EU-Raum oder international? Davon hängt ab, welche Plattformen in Frage kommen.
Die Übersicht erfolgt darum anhand des geografischen Raumes, in dem das „Produkt“ überhaupt erhältlich ist.
openPetition.de – Petitionsplattform für Kampagnen in Deutschland
openPetition ist der bewährte Klassiker unter den Petitionsplattformen. Die gemeinnützige GmbH ist werbefrei und verkauft keine Daten. Finanziert wird sie zu 100% durch die Spenden der Nutzer:innen. Auf diese Weise ist man frei von politischem Einfluss durch Parteispenden oder staatliche Förderung.
Die Werbefreiheit bedeutet: Kampagnen können nicht durch Geld für Anzeigen gepusht werden. Im PR-Jargon: Sie wachsen organisch.
Mit einem Widget kann die Kampagne auch auf die eigene Website gestellt werden, um dort Unterschriften zu sammeln. Solche Plug-ins bieten die meisten Plattformen an.
Auf openPetition.de werden auch Online-Petitionen aus den Petitionsportalen des Bundestages und der Landtage angezeigt. Zum Unterschreiben dieser Petitionen wird man auf das jeweilige Portal weitergeleitet.
Kurzbewertung: Solider Klassiker für Kampagnen, die Entscheidungsträger:innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft adressieren.
innn.it – Petitionsplattform für Kampagnen in Deutschland
innn.it ist sozusagen das neue „change.org für Deutschland“. 2022 spaltete sich die Deutschland-Sektion des US-Unternehmens change.org ab und gründete in Berlin ihre eigene Petitionsplattform.
Vorstand Gregor Hackmack ist auch als Mitbegründer von abgeordnetenwatch.de und durch sein Engagement bei Mehr Demokratie e.V. bekannt. Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid sind auch bei innn.it wichtige Themen für ihn.
Dabei will man mehr als ein technischer Dienstleister sein: „Wir helfen Dir, Dein Anliegen in die Medien, auf die Straße und in die Parlamente zu tragen“, heißt es auf der Startseite. Geplant ist, Initiator:innen bei der Öffentlichkeitsarbeit zu beraten, z.B. bei der Pressearbeit.
Die Plattform wird auf Servern in Deutschland gehostet. Damit gilt deutsches Datenschutzrecht.
Bewertung: Ambitioniert. Wie sich die Plattform entwickeln wird, bleibt abzuwarten.
WeAct – Petitionsplattform für Kampagnen in Deutschland
Bei WeAct können Campact-Unterstützer:innen einen Online-Appell starten. Vorausgesetzt, man identifiziert sich mit der progressiven Politik, die Campact fordert. Man sollte also die Campact-Themen kennen und dann einschätzen, ob die eigene Kampagne ins Portfolio passt. Typische Themen sind z.B. Klimakrise, Insektensterben, Energiewende. Man erreicht Zielgruppen, die sich für bestimmte Themen interessieren oder einen Lifestyle propagieren, z.B. Veganismus.
Ausgewählte WeAct-Themen werden von Campact unterstützt. Da Campact 2,3 Mio. (!) E-Mail-Adressen im Verteiler hat, kann das einen Turbo-Schub für die Kampagne bedeuten. Campact geht innovativ und hochgradig professionell in der digitalen Mobilisierung vor. Umfangreiche Erfahrung hat man auch mit öffentlichen Aktionen bei Druck-Kampagnen.
Auch europapolitische Themen sind bei WeAct möglich. Da die Kampagne jedoch nur in Deutschland ausgespielt wird, bietet es sich an, sie dann zusätzlich bei einer EU-weit tätigen Plattform aufzusetzen.
Bewertung: Thema und Zielgruppen müssen in die Campact-Welt passen. Vorteile von Campact sind der hohe Bekanntheitsgrad, die hohe Reichweite und die Chance, den Diskursraum zu verbreitern.
Das e-Petitionsportal des Bundestages und die Online-Petitionsportale der Landtage
Ist der Bundesgesetzgeber zuständig? Oder ein Landtag? Über die Petitionsportale des Bundestages und der Landtage können sich Bürger:innen auch direkt an das zuständige Parlament wenden.
Insbesondere auf Bundesebene braucht man jedoch Geduld, denn im Schnitt dauert die Bearbeitung 1,5 Jahre… Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, sollte man die Petition außerdem zusätzlich auf einer freien Plattform aufsetzen. Die User sollte man dann bitten, auf beiden Portalen zu unterschreiben, da die Unterschriften ja nicht zusammengeführt werden.
Möglich sind auch nicht-öffentliche Petitionen. Bearbeitet werden alle, unabhängig davon, wie viele Menschen sie unterzeichnet haben. Bei Online-Unterschriftensammlungen sind die Laufzeit und das Prozedere vorgegeben. (Dass die Laufzeit knapp ist, dagegen gab es natürlich auch schon eine Petition. Die erfolglos blieb.)
Bewertung: Eine Chance, das Anliegen auf die politische Agenda zu hieven.
openPetition.eu – Petitionsplattform für Kampagnen in EU-Ländern
Bei openPetition können auch im EU-Raum Petitionen in diversen Sprachen angelegt werden. Die Vorzüge sind die gleichen wie bei openpetition.de.
policat.org – Petitionsplattform für Bündnisse im EU-Raum
„Best tool to target EU institutions“: poliCAT empfiehlt sich für internationale Bündnisse und mehrsprachige Petitionen. Die Idee: Jede Bündnisorganisation kann ohne technische Hürden ein Widget zur Petition in die eigene Website einbetten. Der Kerntext ist identisch, Passagen können individualisiert werden. Die Kampagne erfährt also Synergieeffekte durch viele verschiedenartige Ansätze, die im Kern dasselbe fordern.
Bewertung: Gut für Bündnisse, die ein Widget in ihre Webseiten einbetten können. Open-Source-Software, moderate Preise.
WeMove Europe – Kampagnen-Website für Bündnisse im EU-Raum
Die gemeinnützige GmbH WeMove Europe ist zwar keine Plattform, führt aber viele Kampagnen zu europapolitischen Themen mit Partnern durch. Kontaktaufnahme lohnt, wenn es um grenzüberschreitende Mobilisierung und Kooperation auf EU-Ebene geht.
Man versteht sich als Bürgerbewegung. Ein Gründungsmanifest gibt Leitsätze vor, an denen man sich orientiert („Unsere Vision für Europa“).
Eine interessante Einordnung, was MeMove.eu leistet, liefert diese Studie zum europapolitischen Kampagnen-Aktivismus von Martin Zülch: „Klick-Aktionismus oder Anstiftung zum solidarischen Handeln?“
Bewertung: Wichtiger Player, wenn es um Bündnispartner in der Europapolitik geht.

change.org – internationale Petitionsplattform
Auf der wohl bekanntesten Kampagnenplattform laufen Online-Appelle von Privatpersonen, NGOs und Initiativen noch und nöcher.
Bezahlte Werbung nimmt einen großen Raum ein: User können die Verbreitung der Kampagne erhöhen, indem sie die Petition mit einer kostenpflichtigen Nutzeranzeige bewerben.
Laut Ex-change.org-Mitarbeiter Gregor Hackmack wurde 2022 weltweit 19% der change.org-Belegschaft gekündigt.
Bewertung: Ob change.org die richtige Wahl ist, hängt von Thema, Ziel und Zielgruppen ab. Nicht zuletzt sollten die viel kritisierten Datenschutzpraktiken der US-Plattform ein Auswahlkriterium sein.
Zwischenruf: Wer erstellt eigentlich Petitionen?
Vom Petitionsrecht machen hauptsächlich Männer Gebrauch: Der typische Petent ist männlich, über 50, Akademiker und engagiert sich mit viel Elan in einer Bürgerinitiative oder Interessenvertretung.
Das heißt: Es gibt einen deutlichen Gender-Gap. Auch weniger gebildete Schichten machen von ihrem Petitionsrecht seltener Gebrauch. Und unter 30-Jährige sind kaum vertreten:
Petitionen sind nicht das Werkzeug der Digital Natives
Das legt eine Studie über Online-Petitionen der Friedrich-Ebert-Stiftung nahe.
+++ Teil 2 über Fundraising- und Crowdfunding-Plattformen +++